52. Jahrestagung der Präsidentinnen und Präsidenten der Oberlandesgerichte, des Bayerischen Obersten Landesgerichts und des Bundesgerichtshofs vom 5. bis 7. Juni 2000 in München. TOP 1: Zivilprozeßreform – Entschließung

Eine Reform des Zivilprozesses darf nicht dazu führen, daß der Rechtsschutz in Zivilsachen gegenüber dem geltenden Recht verschlechtert wird. Diesem Gebot, auf das die Konferenz der Präsidentinnen und Präsidenten der Oberlandesgerichte bereits vor einem Jahr hingewiesen hat, wird der jetzt vorliegende Referentenentwurf des BMJ nicht gerecht. Seine Verwirklichung würde im Gegenteil zu einer erheblichen Einbuße in der Qualität der Rechtsprechung führen. Es käme zu einem Verlust an Richtigkeitsgewähr und zu deutlichen Verfahrensverzögerungen. Außerdem würden wesentliche Mehrkosten entstehen. Der Anspruch des Entwurfs, Bürgerfreundlichkeit, Effizienz und Transparenz zu steigern, wird nicht eingelöst. Daher wird der Gesetzentwurf zur Reform des Zivilprozesses als Ganzes von den Präsidentinnen und Präsidenten der Oberlandesgerichte einstimmig abgelehnt.

Die vorgesehene Einschränkung der Nachprüfung der Entscheidungen erster Instanz führt dazu, daß Fehler und Irrtümer sowohl der Prozeßparteien als auch der Richter erster Instanz nur noch begrenzt korrigierbar sein werden. Materielles Unrecht würde festgeschrieben werden müssen. Wenn an die Stelle des Kollegialgerichts weitgehend der Einzelrichter treten soll, wird die Fehleranfälligkeit der Entscheidungen steigen.

Die für das Verfahren erster Instanz vorgeschlagenen Änderungen zur obligatorischen Güteverhandlung und zur richterlichen Hinweis- und Dokumentationspflicht führen zu einer unangemessenen Formalisierung und zu einer Verzögerung des Verfahrens.

Die vorgesehene Konzentration der Berufungs- und Beschwerdesachen beiden Oberlandesgerichten ist in ihren organisatorischen und finanziellen Folgen entgegen den Annahmen des Entwurfs noch nicht genügend abschätzbar und bedarf im Übrigen einer Abstimmung mit der angekündigten Reform der Rechtsmittel in Strafsachen.

Die vorgeschlagene Umgestaltung der Revision führt im Berufungsverfahren zu Verfahrensverzögerungen und zu einer untragbaren Mehrbelastung, wenn u.a. die Möglichkeit des abgekürzten Urteils nicht im bisherigen Umfang beibehalten wird.

Die Mängel und Defizite des Entwurfs wiegen so schwer, daß er trotz einer Reihe positiver Ansätze als Ganzes abgelehnt werden muß. In diesem Ergebnis stimmt die Konferenz mit der Haltung der Anwaltschaft überein.